Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 26, Sonntag, den 24. Juni, S. 1 – 2.
25 Jahre neuer Friedhof zu Buchholz.
Wissen es alle Buchholzer, welch einen wundervollen, nach jeder Richtung hin herrlich gelegenen und ebenso angelegten Friedhof sie besitzen? — Zwar ist er, wie alle Kirchhöfe, eine Stätte des Todes; ist aber auch ein stiller Ort, an dem man, fern dem Getriebe und der Hetzjagd des Lebens einmal gern besinnlich wird, um nicht nur mit dem teuren Toten unter all den Hügeln groß und klein, die ringsum sich erheben, Zwiesprache zu halten, sondern um auch bei sich selbst einmal Einkehr im Inneren zu halten und sich ins Gedächtnis zurückzurufen, daß all unser Leben an dieser Stelle einmal enden muß. „Erkenne Dich selbst!”, so steht es über dem Eingang am Gebäude der Freimaurerloge zu Annaberg. Dieselben Worte sollte man an die Eingangspforten unserer Gottesäcker schlagen, verbunden mit den anderen der alten Römer: „Memento mori”. Und doppelt wirken diese lapidaren Sätze aus der Zeit der Antike auf jeden ein, der den einzig schönen Gebirgsfriedhof von Buchholz besucht, weil eben die Heimat hier an dieser Stelle, wo auch wir unsere letzte Heimat finden werden, mit all ihrer Schönheit und Eigenart mahnend und doch auch tröstend zugleich zu uns spricht; und weil wir über diese Stätte als Gebirgler stets klingen fühlen die wunderbare Weise eines Anton Günther, die einst unter anderem ein Minister des deutschen Reiches, ein Dr. Gustav Stresemann seinem liebsten Freunde, dem Ehrenbürger unserer Stadt, Stadtrat Gustav Slesina bei seinem Ableben nachrief: „’s is Feierohmd, is Togwark is vollbracht”. — Terrassenförmig, just wie ein Friedhof im schönen Tirolerland, erhebt sich die Buchholzer Ruhestätte der Toten. Zahlreiche Stufen führen von einem Teil zum anderen, und überall blickt man auf Gräber, die mit echt gebirgischer Liebe zu den Dahingegangenen prachtvoll gehegt und gepflegt sind. Im Gegensatz zu anderen oft so kahlen Friedhöfen verleihen ferner die planvoll angelegten Baumreihen dieser Todesstätte ein idyllisches Aussehen, und eine große Anzahl herrlicher Denksteine, ja künstlerisch hervorragende Grabdenkmäler namhaftester Skulpteure, von denen wir heute eins im Bilde wiedergeben, gestalten die Wanderung über den Buchholzer Gottesacker Hand in Hand mit der prächtigen Aussicht auf die Gebirgsheimat zu einer tief eindrucksvollen Stunde der Erbauung. Hoch oben rauscht der Bergwald sein Lied dazu:
Über allen Wipfeln ist Ruh‘,
warte nur, warte nur, balde, balde schläfst auch du!
Geschlechter um Geschlechter sind dahingegangen in der Stadt St. Katharinens und hier an letzter Ruh’statt gebettet. Alle sind hier gleich vor dem einigenden Endschicksal des Daseins. Nicht weit vom Grabe des Fabrikherrn wölbst sich der Hügel über seinem braven Arbeiter. So ebnet sich alles an dieser Stelle und nur die Weihe des Ewigkeitsgedankens rauscht durch die Seele. Wenige nur, die in diesen Wochen den Friedhof betreten haben, werden aber das stille versteckte Grab dicht am Eingang der Friedensstraße nach dem oberen Friedhofsteil wahrgenommen haben, auf dem ein ortsgeschichtlich wichtiger Gedenkstein lehnt. Geh einmal hin und du wirst auf ihm davon lesen, wie gerade jetzt vor 25 Jahren hier ein Menschenkind als erstes auf dem damals geweihten neuen oberen Teil unseres Gottesackers begraben wurde. Es war eine brave biedere Jungfrau, wie der Bericht von damals sagt, die man hier zu ewigem Schlummer gebettet hatte. In seiner Weiherede jenes neuen Friedhofsteiles sprach damals Herr Pfarrer Wolff in tief zu Herzen gehenden Worten von der Bedeutung des Augenblickes jener Weihe. Lange habe sich das Bedürfnis geregt, angesichts des starken Wachstums der Gemeinde, den Buchholzer Friedhof zu erweitern, da der alte nicht mehr ausreichte. Es galt, die Pietät durch allzufrühe Wiederbenutzung bereits belegter Gräber nicht zu verletzen. Hindernisvoll freilich hätten bei der Anlage des neuen Gottesackerteiles die gebirgischen Bodenverhältnisse gewirkt; Berge und Felsen legten sich stark in den Weg. Endlich aber sei es gelungen, unmittelbar neben dem alten Friedhof ein großes Stück Land zu erwerben, das für seine Neubestimmung geeignet war. Nun war man der Sorge und Frage enthoben: „Wohin mit unseren Verstorbenen?” und vor aller Augen breite sich jetzt eine ideal schöne Anlage aus, für die man den Vertretern der Kirchgemeinde und der politischen herzlich dankbar sei, die mit Rat und Tat treulich zur Seite standen. Eine Ruhestätte der Toten soll dieser Ort sein, ein Friedhof dieser umzäunte Garten im Sinne des Wortes: „Die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden.” Fern sei und bleibe dieser Stätte alles weltliche Treiben, jeder Lärm und jedes laute und törichte Geschwätz. Hier wohne zwischen und über den Gräbern Ruhe und Frieden.
Er wohnt auch heute noch und wird immerdar wohnen an diesem Ort trotz aller Unrast der Tage und allen Sturzes alter Begriffe und Ordnungen. Und immer wird der Einheimische wie der Wanderer, der hier innehält, den Segen der Schönheiten dieses Friedhofes empfinden, der uns Zeitgenossen so sehr beglückt.
Mehrfach ist übrigens auch schon der sicherlich sehr beachtenswerte Gedanke erwogen worden, an dieser Stelle ein schlichtschönes, keineswegs aber kostspieliges Gedächtnismal für unsere im Kriege gefallenen Helden zu errichten. Man stelle sich — den Friedhof beherrschend — unterhalb der kleinen Kapelle, die hoch am Walde steht und von der aus die Bläser immer ihre Lieder erklingen lassen — eine Gestalt vor, nach dem Modell des Todesengels, der auf den Schlachtfeldern vor Metzt steht. Einen Engel, den Helm auf dem Haupt, beide Hände von sich gestreckt und auf das Schwert gestützt — wahrlich ein schöneres Denkmal des Krieges, mitten in das Grün gestellt, vor die den mittleren Friedhof beherrschenden Felswand — ein Denkmal, weithin sichtbar, als ein Wahrzeichen einer schweren aber siegbeglückten Zeit — ein Menetekel aber auch für unser jetzt so armes unglückliches deutsches Vaterland. Fern vom Lärm der Straße und des Lebens würde solch ein Denkmal hier an einen Ort zu stehen kommen, wo jeden eine doppelt ergreifende Besinnlichkeit überkommt und nichts den stört, der hier sich einmal sammeln will in Erinnerung an seine im Weltkriege auf dem Felde der Ehre gefallenen Angehörigen. Dazu die herrliche Umgebung des ganzen Friedhofes mit seinem tiefen Schweigen.
Es lohnt sich also sehr wohl, diesem Gedanken einmal näher zu treten.