Aus der Sagenwelt des Erzgebirges.

Der törichte See bei Satzung.

In der Nähe des Kammweges, der auf der Höhe des Gebirgs dahinführt und vom Kapellenberg aus das Elster-, Erz-, Elbsandstein-, Lausitzer-, Jeschken-, Riesengebirge und zuletzt die Sudeten berührt, liegt sechs Wegstunden östlich vom Fichtelberg auf windiger Hochfläche das Dorf Satzung.

Der lehmhaltige Grund und die flachkesselartige Bodenbeschaffenheit bringen es mit sich, daß hier die Moor- und Torfbildung einen ziemlich hohen Grad erreicht hat. Eine Stelle dieser Hochmoore führte früher den Namen Törichter See. Das blutrote Torfmoos, das hier häufiger als anderswo auftritt, das schwarze Lachenwasser, das in unheimlicher Stille die Vertiefungen des Bodens ausfüllt, endlich der zitternde Schrei der Moorschnepfe, der in ruhiger Nacht vom Himmel herabklingt, brachten den Ort in einen zweifelhaften Ruf; und nicht wenig Leute vermieden es, auf ihren Waldgängen in den Bereich des törichten Sees zu gelangen. Wollte man doch zuweilen ein merkwürdiges Jauchzen, Fideln, Pfeifen und Johlen in der Nähe des verschrienen Ortes vernommen haben, Grund genug, in großem Bogen ihn zu umschreiten.

Vor vielen Jahren, als der große Krieg, der unserm lieben deutschen Vaterland so unendlich tiefe Wunden geschlagen hatte, kaum erst vorüber war, kam ein Mann aus Sebastiansberg in die Gegend des törichten Sees, um Feuerholz zu suchen. Hier und da setzte er seinen Altreißer an und holte mit kräftigem Ruck die dürren Aeste herab, die an den hochgeschossenen Fichten ein zweckloses Dasein führten. Bald hatte er eine ansehnliche Bürde beisammen. Während er nun die einzelnen Aeste aufeinanderschichtete, gewahrte er plötzlich einen Reiter, der auf stattlichem Roß durch das Stangenholz ritt und gerade auf ihn zukam.

Der Holzsucher glaubte, der fremde Herr gehöre zu einer Jagdgesellschaft, die er im wilden Forst verloren habe. Nun werde er sich nach dem rechten Weg erkundigen wollen. Umsomehr erstaunte der Sebastiansberger, als ihn der Reiter nach dem törichten See fragte.

„Den kann ich Euch zeigen!“ sagte der Holzsucher, „aber mit Eurem stattlichen Pferd dürft Ihr nicht hin. Denn vor dem See liegt das tiefe Moor, und das trägt nicht Roß und Reiter!“

„Geh voraus und führe mich!“ befahl der Fremde kurz.

Der Sebastiansberger ließ sein Holzbündel im Stich und schritt hinüber nach dem gefürchteten Wasser. Der Reiter folgte ihm auf dem Fuße. Vor dem Moor stieg er vom Pferde und sagte zu dem verwundert dreinschauenden Führer:

„Nun sollst du erfahren, was mich hierher geführt hat. Ich bin ein Wassermann. Ein Feind hat mir mein Weib entführt. Die ganze Welt habe ich vergebens nach ihr durchsucht, und nun habe ich erfahren, daß sie in diesem Gewässer sein soll. Halte mein Pferd, während ich in die Tiefe zu blutigem Kampfe fahre.“

Damit reichte er dem Mann die Zügel des Pferdes und schritt hinein in das schwarze Gewässer.

Mit kräftiger Faust erfaßte der Sebastiansberger die Zügel. Aber sein Herz klopfte doch rascher als sonst. Er sehnte sich von dem Orte des Grauens hinweg, heim in den sicheren Frieden seiner vier Pfähle. Da erhob sich plötzlich auf dem Grunde des Sees ein furchtbares Geschrei. Das Pferd bäumte sich und riß am Zaum und knirschte am Gebiß, als wollte es seinem Herrn in die Tiefe folgen. Der Wärter hatte Not, es zu bändigen. Da geriet das Wasser in Wallung. Blutrot spritzte es auf, und aus purpurnen Wellen tauchte der Reiter auf. In den Armen hielt er sein Weib.

„Es ist geschehen!“ rief er dem Manne zu, „der Räuber meines Weibes liegt erschlagen auf dem Grunde des Sees! Habe Dank für deinen Dienst – und das nimm zum Lohne!“

Mit diesen Worten überreichte der Wassermann dem Sebastiansberger ein Lederbeutelchen. Dann schwang er sich mit seinem Weibe auf das Roß und sprengte querwaldein davon.

Als der Beschenkte den Beutel öffnete, fand er nichts als einen Kreuzer darin. Er nahm ihn enttäuscht heraus, aber sofort bemerkte er einen anderen im Beutel. Und so blieb es auch in der Folge: Nie war der Beutel leer. Hatte der „Basberger“ einen Kreuzer herausgenommen, so blinkte schon wieder der andere auf dem Grunde des Wunderbeutels. Nachdem der Sebastiansberger diese prächtige Eigenschaft des Geldbeutels einmal entdeckt hatte, kannte er keine liebere Beschäftigung, als das Beutelziehen, denn Kreuzer geben Gulden, und bald hatte der Glückliche ein stattliches Vermögen beisammen.

Leider konnte er nicht reinen Mund halten. So geschah es, daß ihm der Wunderbeutel entwendet wurde. Aber in der Hand des Diebes blieb es ein Beutel wie jeder andre, der nur Geld spendet, wenn man selbst welches hineingetan hat.

Geisterspuk in einer Binge bei Eibenstock.

Im Dönitzgrunde bei Eibenstock, in welchem noch die Ueberreste früherer Zinnseifen zu sehen sind, zeigt man auch eine alte Binge. Von derselben wird erzählt, daß einst zwei Reiter über dieselbe setzen wollten, daß sie aber dabei mit ihren Pferden hinabstürzten. Wer nun in der Johannisnacht an diese Binge kommt und aufmerksam horcht, der vernimmt in der Tiefe nicht nur das Klirren von zusammenschlagenden Hufeisen, sondern auch das leise Ticken einer Uhr. –

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 32 – Sonntag, den 8. August 1926, S. 3