Bilder von einer Wanderfahrt durch das Erzgebirge vor 80 Jahren (5)

(Fortsetzung unserer Artikel in Nr. 40, 41, 42 und 43 der Erzgebirgischen Heimatblätter.)

Das alte Annaberg.

Dieser Artikel enthält leider besonders viele Fehler! Also nix für den Geschichtsunterricht.

Nachdem unsere Leser im Verlauf der alten Wanderfahrtberichte in unserer Heimatblatt-Ausgabe Nr. 43 v. J. ein interessantes Bild vom Pöhlberg nach einer Ansicht von Geyersdorf aus zu sehen bekommen haben, bringen wir heute ein Bild vom alten Annaberg. Unser Wandersmann, der über Schönfeld, Wiesenbad, Geyersdorf kam, berichtet hierzu wie folgt:

In züchtiger Zierlichkeit ruht

St. Anna

auf ihrem erhabenen Stuhl, dessen basaltische Lehne sich 2638 Fuß über das Meer erhebt; ihr mit Ähren und Feldblumen bestreutes Kleid rollt in riesigem Faltenwurfe hinab zu den klaren Wellen der Sehma und Zschopau und fabeln ihre Uferblumen an den Saum desselben. Diese liebliche Stadt zählt in ihren freundlichen und massiven und mit Schiefer bedeckten Häusern, welche von mit Basalt gepflasterten Gassen und Gäßchen vielfach durchzogen sind, über 8000 Einwohner. Die Mauer, welche den Häuserschatz umgiebt und eine ansehnliche Höhe hat, scheint mehr zum Schutz gegen die Stürme des Himmels und der Raubthiere als gegen den äußeren Feind errichtet worden zu sein. Die neuere Zeit hat rings herum dieses Mauerwerk mit einem Gürtel von Blumen, Bäumen und Strauchwerk umgeben und zwischen denselben Promenaden angelegt, welche besonders alte Leute und Kinderwärterinnen benutzen.

Wohl mag im Jahre 1495, als unter Regierung Herzog Friedrichs des III. Annaberg zu bauen angefangen und die Gegend noch – die wilde Ecke – geheißen wurde, Niemand geahnt haben, daß eine Zukunft kommen werde, die alles verwische, was an Wildheit und Sterilität erinnern könne. Der Drang und die Sucht nach Silber und Kobalterzen, die am Schrecken- und Schottenberge sich kund gaben, ließ dem Bergmann alle Hindernisse und Gefahren verachten und gab die nächste Veranlassung zur Erbauung der Stadt.

Die Indulgenzen des Herzogs Friedrich und der spätern Landesherrn, wodurch die Stadt an Ausdehung gewann, ein Franziskaner Kloster und daneben aber auch eine Stadtkirche, Superintendur, ein Lyceum und eine Patrimonial-Gerichtsbarkeit bekam, so wie das seltene Glück bis in die neuern Zeiten herauf an der Spitze der Justizpflege und der Verwaltung ausgezeichnete Männer zu haben, die, wenn es das Schöne, Nützliche und Nothwendige galt, nicht das Bürgerthum allein zum Geben nöthigten, sondern selbst in die eigene Tasche griffen und zur Nachahmung ermunterten -, mußte nothwendig den Ort selbst sehr bald zur Mittelstadt erheben. Die Namen eines Bretschneider, Lommatzsch und des gemüthlichen Schumann, als Superintendenten und eines Benedict, Eisenstuck, Querfurth, Söldner, Glöckner und anderer mehr bei der Justiz und Verwaltung haben einen guten Klang. Noch jetzt, wenn man durch die Gassen und Straßen Annabergs wandert, dringt sich die Meinung für Ordnung und Nettigkeit, Schönheit und Schicklichkeit, die sich die Einwohnerschaft angeeignet hat, unwillkührlich auf. Ihr socialer Verkehr bewegt sich nach Art eines patriarchalischen Familien-Zusammenhanges, in welchem sich Jedermann, wer nur eingeführt ist, sehr wohl befinden kann

Band-, Borden- und Spitzengeschäfte, wozu sich in der neuern Zeit die Thilo & Röhlingsche und Röhling & Föhrsche Seiden-Fabriken gesellt haben, geben nicht nur der Stadt, sondern auch der Gegend umher Nahrung und Gedeihen. Unmittelbar neben alten nackten Klostermauern ist in einem stattlichen Gebäude die Thilo-Röhlingsche Seidenfabrik in reger Thätigkeit und da die Mönche in ihrer Mastanstalt unfehlbar keine Seide spannen: so hätten sie ohnehin ihren officiellen Müssiggang verlassen müssen.

Annaberg hat sich seit zwei Jahren in ihrem sich angeeigneten Zeitbewußtsein und in dem Gebiete des geistigen Fortschritts dadurch rühmlich hervorgethan, daß es dem Einschmuggeln von jesuitischem Schnörkelwerk in die neue römisch-katholische Kirche, auf den Grund der Verfassungs-Urkunde, kräftig und deshalb mit Erfolg widersprach, weil gleichzeitig die Triersche Rockparthie und Ronges Sendschreiben an den Bischof Arnoldi, so wie die dadurch hervorgerufenen würdevollen Widerstrebungen gegen die römische Hierarchie mit dem Baue ihrer Kirche in dieser Stadt zusammen traf.

Wer hat hiernächst bei einer leichten Rechnungsaufgabe nicht oft gehört: „Nach Adam Riesens Rechenbuche beträgt es so oder so viel?“ Dieser Adam Riese, ein geborner Annaberger, lebte im 16. Jahrhundert als Bergschreiber in Annaberg und war der Verfasser eines allgemein verständlichen Rechnenbuchs. Er starb daselbst im Jahre 1559. Das Vorwerk Riesenburg bei Geyersdorf, welches der Rieseschen Familie gehörte und dessen Gebäude 1641 von den Schweden zerstört wurden, hat sein Andenken mit erhalten.

Auf dem Todtenacker der Stadt, der seiner ganzen Ausdehnung und Befriedigung, so wie der innern Einrichtung nach, der Liebe und Achtung, die man seinen lieben Heimgegangenen schuldig ist, entspricht und überall das Gepräge der Pietät in allen ihren Abstufungen an sich trägt, ruht auch Barbara Uttmann aus Brabant, welche in Elterlein erzogen und in Annaberg 1561 die Kunst, Spitzen zu klöppeln, einführte, während bis dahin nur genähte oder gewirkte Spitzen bekannt waren. Wer die Segnungen des Spitzenklöppelns im Obergebirge kennt und weiß, daß Kinder, oft noch nicht zur Schule reif, leichte Muster klöppeln und für die Reinlichkeit zugleich erzogen werden, der wird auch dankbar zu den Stiftern des Denkmals emporblicken, die das Andenken an die Wohlthäterin Uttmann auf dem Friedhofe erneuerten und für eine spätere Zukunft zu erhalten strebten.

Noch gedenken wir eines wahrhaft edlen und vortrefflichen Mannes, welcher den 28. Januar 1726 in Annaberg geboren wurde; es war der in Leipzig verstorbene Kreissteuer-Einnehmer und Kinderfreund Weiße. Was er für Kinder, besonders verarmte und Waisen that und für sie schrieb, ist zu bekannt, als daß es einer Wiederholung bedürfte. Darum feierte auch, in Anerkennung seiner Verdienste, seine Vaterstadt das 100jährige Geburts-Jubiläum am 28. Januar 1826, nicht aber blos mit einem Zweckessen, sondern durch eine Stiftung zur Erziehung armer verwaiseter Kinder des Erzgebirges. Der Festverein veranstaltete eine Subscription und aus allen Gegenden flossen Beiträge zusammen, so daß bereits 7000 Rthlr. Kasse vorhanden ist, aus welcher alljährlich jedesmal den 28. Januar 7 verwaisete arme Kinder gekleidet und zur weitern Erziehung versorgt werden. So weiß Annabergs Einwohnerschaft die Verdienste abgeschiedener Männer und Frauen zu würdigen; – Glück auf!

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 9 – Sonntag, den 27. Februar 1927, S. 1