Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 34 – Sonntag, den 19. August 1928, S. 1 – 2.
Das Titelbild unserer heutigen Heimatblatt-Ausgabe versetzt uns zurück in eine alte gute Zeit, zu der in unserem Erzgebirge noch überall die Hochöfen rauchten, in der in den alten, heute meist verlassenen Hammerwerken, wie sie bei Frohnau, Schmalzgrube, Rittersgrün, Blauenthal usw. stehen, fröhliche Hammergesellen die Blasebälge zogen, wo in lustigem Takte die Hämmer klopfen, wo ein fleißiges Völkchen harter, derber Arbeit nachging. Vor etwa 100 Jahren gab es in unserem Gebirge noch etwa 24 solcher Hammerwerke, von denen 18 Werke Hochofen in Betrieb hatten, d. h. das Eisen aus den Erzen selbst schmelzen konnten. H. Montanus weiß uns im Nachstehenden viel Interessantes über das Leben in den alten Hammerschmieden zu erzählen. Was die alten Hammerwerke einst für die Gegend bedeuten, erkennt man – so schildert der Schreiber der Geschichte alter Hammerwerke – hie und da noch heute aus den alten sogenannten „Herrenhäusern”, den Wohnhäusern der „Prinzipale”, wie die in frühesten Zeiten „Hammermeister” genannten Besitzer später von ihren Arbeitern genannt wurden. Damals war das Verhältnis zwischen Herren und Untergebenen bei allem, was mit dem Bergbau zusammenhing, ein durchaus patriarchalisches, und wenn auch ein bescheidenes, so war es doch meist ein zufriedenes Leben, das alle diese Leute im Gebirge führten, und eine dankbare Aufgabe wäre es, dieses Arbeitsleben vergangener Zeiten in anschaulicher Weise zu schildern, einer rat- und friedlosen Zeit zum Muster. Freilich nimmt sich in der Zeiten Ferne gar manches recht anmutig aus, was in unmittelbarer Nähe des Daseins ein weniger freundliches Gesicht hatte. So war es mit dem „Hammervolke”. Die Besitzer hatten gar oft mit der „Zeiten schwerer Not” zu ringen und hielten sich oft nur mühsam über Wasser, und die Arbeiter hatten ein noch härteres Dasein.
Heute, wo noch zahlreiche „Hammerschmiedsgeschichten” erzählt werden, die durch urwüchsigen Humor ergötzlich anmuten, denkt man dabei nicht daran, daß das „unbändige Volk der Hammerpursche” wie es von den Chronisten aus den Zeiten guten Geschäftsganges genannt wird, gar häufig Perioden durchlebte, da „ihnen der Mut ziemlich gefallen”.
Harte Arbeit bei geringem Lohne, von dem bei ihrem heißen Tagewerke „ein guter Teil auf’s Getränke ging”, und ein Alter voller Krankheit, bittrer Not und Entbehrung, das war zumeist ihr Los. Daß sie dadurch, trotz ihres gerühmten Humors, gar oftmals das Leben gar trübe anschauten und von ziemlich gedrückter Stimmung waren, erhellt aus folgender Äußerung eines resignierten Galgenhumors:
Der alte Meiner’sche Dav wöllt stärm; der Härr Paster hoht ne noch amol besucht un hoht ne noch a Sprichel mitgam wölln offn letzten Gang. Er trof ne schu racht schwach un hiefällig, oder reden konnt er noch; de Gusch war sei labestog is beste an Dav gewast. Nu, wie dr Harr Paster asu dogesassn hoht an sen armling Bett – kaa Fraaa hoht er net gehatt, dr Dav, a alte Nachbarn hoht ne epper amol de Laabsäck in sen Bett aufgeschittelt – un hoht ne alten Ma asu pfaung und stähne härn, hoht’s ne drwaang laad gedah, wenn aah dr Dav net gerohd es frimmste vun sen Beichtkinnern gewast war. Er saht drhalm, dr Harr Pfarrer, a wing derbarmlich: „Nun, David”, saht er, „der Tod ist ein saurer Gang, das muß wahr sein, aber denkt einmal, wie sauer Euch auch das Leben gewesen ist. Es heißt zwar in der Heiligen Schrift: Unser Leben wäret 70 Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es 80, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen. Aber nicht jeder Mensch hat so schwere Arbeit verrichten müssen, wie gerade Ihr auf Erden. Um so schöner aber, mein lieber David, wird es für Euch drüben sein, wo wir ja alle zu einem neuen, besseren Leben erwachen werden. Dort werdet Ihr ausruhen dürfen von der schweren Last Eures Daseins, darum möget Ihr ruhig und vertrauensvoll durch das dunkle Tor in’s bessere Jenseits gehen; dessen wollet Euch getrösten!”
Der Dav hoht ganz ahdächtig zugehärt, wie ne der Harr Paster asu schie getreest hoht, oder nu guttegahr mocht er fei doch net belehrt sei, denn er bracht unner Ächzen un Stähne ner zer Antwort fier: „Ach, Harr Pfarrner, iech gelaab’s noch net, doß mee’sch wuhler gieh wärd dodriem. Dorten wärn se wuhl aah wissen, daß ‘ch mei labestog de schware Arwed bie gewuhne gewast, un do wärds schu haaßn, wenn iech nieberkumm: „Dav! Do gieh har, du kast dunnern!”
War also ein hartes, mühevolles Handwerk, Hammerschmied zu sein und wenn wir auf unserem Titelbild die vielen Handwerkzeuge, Zangen, Amboß usw. betrachten, so können wir ermessen, welch kräftiger Arm dazu gehörte, um Eisen und Metall zu meistern. Aber wie überall – auch dieses Handwerk hatte goldenen Boden.
Es hat z. B. aber auch in der 2. Hälfte des 17. und 18. Jahrhunderts ein vornehmes Wesen auf diesen erzgebirgischen Hammerwerken geherrscht, und die Chronisten der betreffenden Gegenden geben uns eine stattliche Anzahl patrizischer Namen an, von denen sie auch Stammbäume und Wappentafeln bringen. Solche Namen sind die Uttenhove, v. Elterlein, Müller v. Berneck, Siegel, Kleinhempel, Zobel, Goldschadt. Sie waren meist untereinander verwandt und verschwägert, und der Besitz der einzelnen „Hämmer” wechselte oft zwischen Mitgliedern dieser Familien hin und her, zuweilen sind auch mehrere Werke in der Hand eines Einzelnen.
In Kriegs- und Krankheitszeiten waren diese Hammerwerke gar oft die Zuflucht verwandter, wohlhabender Familien aus dem Niederlande, namentlich der Leipziger Gegend, und zuweilen mögen sie für solche Gäste wohl auch das gewesen sein, was unsere heutigen Sommerfrischen sind.
Um die Wohlhabenheit einerseits, und das vornehme Wesen andererseits, die zeitweilig auf diesen Hammerwerken herrschten, zu charakterisieren, seien einige kennzeichnende Mitteilungen zeitgenössischer Chronisten erwähnt. Der Eibenstöcker Oettel erzählt „Kaspar Siegel konnte sich in sein Glück nicht finden, und sein Weib sagte einst aus Vermessenheit, daß sie ihren Geldbeutel nicht zu Grund greifen könnte, mußte aber nachher ein anderes erfahren und geriet mit ihren Nachkommen wieder in Armut.” Von einem Kleinhempel berichtet der Schneeberger Chronist, daß er von irgend einem Stadtgerichte zu „etlichen 100 Rheinischen Gulden Strafe” verurteilt worden war, weil er „die auf dem Hammer Unterblauental geheiratete Witwe Fritz Zobels mit einer Kutsche bedienet”, d. h. also eine seinem Stande nicht zugebilligte Vornehmheit gezeigt. Er wendete jedoch die Strafe von sich ab, weil er durch das Zobel’sche Wappen die Berechtigung zu solchem Standesvorrecht nachwies.
Das war einiges von dem Leben auf unseren alten Hammerschmieden. Nach all dem, was sie einst für das gewerbliche und soziale Leben ihrer Zeit bedeuten, darf man wohl mit Recht von einer mit ihnen dahingegangenen Kulturepoche unseres Erzgebirges reden.