Die Schlettauer Kirche (2).

(nach älteren bis etwa Ende des vorigen Jahrhunderts reichenden Aufzeichnungen.)

(Fortsetzung.)

Die Einweihung des neuen Turmes am 9. Oktober 1842.

Schon frühzeitig strömte eine gewaltige Menschenmenge herbei. Galt es doch, den neuen schönen Turm einzuweihen. Dankerfüllt sang die Gemeinde die alten, ihr so lieb gewordenen Lieder. Die Weiherede hielt Superintendent Schumann aus Annaberg, der „über den hohen Werth christlichr Kirchtürme“ sprach. Der Ortsgeistliche Pfarrer Ziehnert predigte über 2. Chronika 15, 7: „Unser Thurm ist unseres Lebens Bild in 6fachen Aufstiegen: Kindes-Jugend – Mannes- und Greisenalter, Gebet und Glaube. Die Predigt schloß er mit den Worten: Seht unsern Thurm, er ist des Lebens Bild. / Das Kind umgaukeln schöne Träume / und tragen es durch seines Lebens ernste Räume. / Das Jünglingsalter, dem es zu wünschen gilt, / fragt nach der Zeit und ihrem Stundengange, / des Mannes Thun schönt im harmonischen Klange / ins Leben freundlich, ernst und mild / der Greis erfahrungsreich, will wachen, rufen. / Der Mensch, er naht auf allen Altersstufen / sich betend dem, den ew’ges Licht umquillt. / Der Christenglaube strahlt durch’s Erdenleben / und schützt, wenn Blitz und Donner es umgeben. / Seht unsern Thurm, er ist des Lebens Bild!“

Weitere Umgestaltungen (bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts).

Im Jahre 1882 wurde der Turm „abgeputzt und samt der übrigen äußeren Fläche des Kirchengebäudes gestrichen.“

1883 wurde das Innere der Kirche „zeit- und stilgemäß renoviert und dabei vieles Störende und Häßliche entfernt.“ Auch wurde eine neue Orgel aufgestellt. Ueber dem Haupteingange wurden bunte Glasfenster angebracht, die von einem ehemaligen Schlettauer, Bernhard Fiedler in Chicago, gestiftet worden waren.

Der Chronist schreibt nun weiter: „1888 mußte der Kirchenbau ausgesetzt werden, weil die Verhandlungen mit der Walthersdorfer Gemeinde nicht zum Abschluß kamen.“ Ich nehme an – vorausgesetzt, daß kein Schreibfehler vorliegt – daß dieser Kirchenbau mit der schon erwähnten Renovierung von 1883 zusammenhängt, obgleich die lange Zeitspanne von 5 Jahren mich stutzig macht. Ein neuer Bau scheint es nicht zu sein, da sonst der Chronist doch wohl den Zeitpunkt, in dem er angefangen war, vermerkt hätte. Sei dem, wie es wolle, Walthersdorf machte anscheinend Schwierigkeiten wegen der Kostenbeteiligung. Nach langem Warten kam schließlich die Entscheidung des Landeskonsistoriums, wonach Walthersdorf „zu den kirchlichen Bedürfnissen 23/100“ beizutragen hatte.

Bei der Renovierung wurden u. a. beschäftigt die Gebr. Meyer-Buchholz. „Beim Abtragen des Sanktuariums fand man mehrere Münzen aus den Jahren 1664, 1680 usw. Beim Aufgraben des Bodens unter dem Altare stieß man auf verschiedene Grüfte, von denen die eine nachweislich dem Kommissionsrathe Fischer gehört hatte –.“ Sie enthielt 9 gut erhaltene Särge. Die Frauenleichen waren mit schwarzseidenen Stoffen bekleidet. Ferner fand man das Grab des früheren Schlettauer Pfarrers Mag. Chr. Heinrich Zeiß (1728-61 amtiert), einen Kindersarg, sowie zwei verwitterte Grabplatten in der Ecke rechts vor dem Altarplatze. Die eine Platte deckte das Grab eines tapferen, zu seiner Zeit hoch berühmten Kriegsmannes, namens Wolf Tiefstetters, die andere die Ruhestätte seiner Gemahlin. Tiefstetter war der Sohn eines Kupferschmiedes und brachte es später wegen seiner Tüchtigkeit und Tapferkeit im Kriege bis zum Feldhauptmann. Er diente unter den Kurfürsten Moritz und August. Von letzterem wurde er seiner großen Verdienste halber geadelt. Im Jahre 1544 verheiratete er sich mit Katharina Unsinn, der Tochter eines Annaberger Ratsherrn. 1546 hielt er vor dem Wolkensteiner Tore zu Annaberg Heerschau über 2500 gerüstete Männer, die für Kurfürst Moritz geworben worden waren. Unter den 8 Personen, die in der Morgenstunde des 11. Juli 1553 nach der Schlacht bei Sievershausen trauernd das Sterbelager des von einer Kugel getroffenen Kurfürsten Moritz umstanden, befand sich auch „der namhafte Führer des Fußvolkes“ Tiefstetter. Noch im Tode seinem Herrn getreu, folgt er diesem in demselben Jahre, am 1. Oktober, im Tode nach. Er wurde 41 Jahre alt, da er 1512 geboren war.

„Nach1547, wo Schlettau infolge der Wittenberger Kapitulation an das Albertinische Sachsen fiel, — hat Tiefstetter wahrscheinlich zur Belohung seiner im Schmalkaldischen Kriege bewiesenen Tapferkeit das Schloß Schlettau bekommen.“

Er und seine Gemahlin wurden, wie schon erwähnt, in der Schlettauer Kirche beerdigt. Für seine Grabplatte hatte Kaspar Peucer, der Schwager Melanchtons und Rektor der Universität Wittenberg, einen Denkspruch verfaßt, worin es von ihm heißt: „Klug beim Rat, tapfer zur Tat, kühn im Wagnis.“

Der Merkwürdigkeit halber sei noch erwähnt, daß damals bei Entfernung einer Mauer neben einer Säule in dem Kirchenschiffe auch ein versteinertes Ei gefunden wurde, das dort über 250 Jahre gelegen haben soll.

Der Altar.

Der „besteht aus dreifachem Säulenaufsatz, vielem Schnitzwerk, reicher und guter Vergoldung, einem großen Gemälde, die Kreuzigung Jesu vorstellend, und vier kleineren Bildern.“

Er wurde 1668 auf Kosten M. David Wendlers, der 1616 in Schlettau geboren und Pfarrer in Regensburg war, errichtet. Ueber dem Altartisch ist neben dem Bildnis David Wendler’s eine Aufschrift in lateinischer Sprache angebracht, die auf den Stifter Bezug nimmt.

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde, wie man aus einer Bemerkung des Chronisten schließen könnte, bei der Erneuerung des Innern der Kirche auch der mit der Zeit wohl recht unansehnlich gewordene Altar instand gesetzt. In den Altar wurden damals als Erinnerungszeichen eingelegt (so könnte man eine Stelle in den Aufzeichnungen deuten): „1) Eine Urkunde, 2) Die Nummern der Leipziger Zeitung vom 15. Januar 1689, 1789 u. 1889 und 3.) eine Nummer des Chemnitzer Tageblattes und der Obererzgebirgischen Zeitung vom 16. Juni 1889, 4) Festschrift vom Erzgebirgsverein, 5) einige beim Kirchenbau gefundene Münzen aus dem 17. Jahrhundert, 6) einige Münzen aus der neueren Zeit.“

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 16 – Sonntag, den 17. April 1927, S. 2