Unser Bild zeigt, wie’s just zur alten Soldatenzeit im lieben Deutschland aussah. Wenn wir nun aber mitteilen, daß die Ansicht von einem fröhlichen Biwaktreiben bei Schlettau erst ganz jungen Datums ist, so bedarf dies doch einer näheren Erklärung. In unserer O.Z.-Ausgabe vom 3. September d. J. berichteten wir bereits folgendes:
Bestens vorbereitet, begünstigt durch prächtiges Wetter und allseits unterstützt und gefördert von den Kameraden und Kameradenfrauen, war es nicht nur eine Freude, sondern auch eine Genugtuung für den verdienten Vorstand, Herrn Posamentenfabrikanten Widar Lehm, den Verlauf des Festes beobachten zu können. Einen festen Grund hatte das Fest insofern schon, als durch Spargelder ein Schlachtfest gesichert war und den Mitgliedern und Angehörigen mit Wellfleischessen gedient werden konnte. Am Vereinslokal — Hotel Goldener Bock — stellte der Verein. Voran die Reiterabteilung im bunten Rock, im Wagen die Veteranen und lieben Alten, den beiden Vereinsfahnen folgend die stattliche Mitgliederzahl und anschließend der Marketenderwagen mit der Ordonnanz zu Rad, bewegte sich der Zug unter den flotten Klängen der Stadtkapelle nach dem Schützenhaus und dem dort befindlichen Festplatz. Durch Aufstellen von Glücksbuden, Schießbuden usw. und das prächtige Konzert der Stadtkapelle entwickelte sich bald munteres Leben und Treiben. Bald hatte der Biwakzauber alle erfaßt. Der diensthabende Feldwebel Fritz Schmiedel erteilte seine Befehle, die Korporalschaftsführer riefen zum Essen auf, Posten zogen auf, die Wache tat ihre Pflicht und manche heitere Szene gab zu Scherz und Lachen Anlaß. Aber alle Abwechslung tat dem Wellfleischschmaus nicht den geringsten Abbruch, fleißig wurde diesem zugesprochen, aber auch der Fleischer für die gehabte Mühe dabei gedacht. Dem Einzug ging erst noch die Ehrung der Gefallenen und Geschiedenen voraus. Der Vorsitzende, Herr Widar Lehm, gedachte ihrer, man entblößte das Haupt, die Fahnen neigten sich und wehmutsvoll erklangen die Instrumente: „Ich hatt‘ einen Kameraden“. Im Lampionschein und wiederum bei straffer Marschmusik erfuhr der Einzug auf dem Marktplatz mit dem alten Reiterlied „Morgenrot“ seine Auflösung. Am Abend folgte im Schützenhaus der Manöverball. Festliche Stimmung, beste Kameradschaft und heitere Fröhlichkeit zeichnete auch diese Veranstaltung aus. Dankend und sich freuend äußerte sich anderweit der Vorstand, aber auch ihm und seinen Getreuen herzlichen Dank.
Unser Schlettauer Biwakbild bietet gewiß einen gar friedlichen Anblick und steht im angenehmen Gegensatz zu den Manöverbildern der französisch-englischen Truppen auf dem deutschen Gebiet, die wir in letzter Zeit veröffentlicht haben. Solch friedliche Manövergäste, wie wir sie hier auf unserem Bilde beieinander sehen, läßt man sich schon gefallen. Ein Stück Geschichte von der alten deutschen ruhmreichen Armee rollt freilich auch dieses Bildchen auf, zeigt es uns doch die alten Friedensuniformen verschiedener Truppenteile. Jeder war stolz auf seine Truppe und denkt gern zurück an die alte Soldatenzeit, sonst wäre man gewiß nicht auf den Gedanken gekommen, den herrlichen Sonntag zu einem Ausmarsch ins Biwak zu verwenden.
Unser Bild gibt zu diesem gewiß sehr schönem Herbsterlebnis des Schlettauer Militärvereins I eine treffliche Illustration, die unseren Lesern sicherlich viel Freude bereiten wird.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 38 – Sonntag, den 16. September 1928, S. 4