Erzgebirgische Spottreime.

Meinen lieben Erzgebirgern will ich nicht zu nahe treten. Aber eins muß ich doch sagen: ihnen sitzt eine Spottlust im Blut wie keinem anderen Völklein. Für die Schwächen ihrer Mitmenschen haben sie ein gar scharfes Auge. Und was sie da erspäht haben, das bringen sie in allerlei Spottreime, die oft recht tief verwunden können. Diese Spottverschen dringen wie Pfeile in die armen Opfer. Man bringt sie nicht so bald wieder heraus. Oft bleiben sie auch das ganze Leben lang drin stecken, was gerade nicht sehr angenehm ist.

Auch verschiedene erzgebirgische Städte sind unter das Kreuzfeuer dieser Spottsucht genommen worden. Hierfür mögen folgende Proben dienen:

„Annebärg leit huch uben,
Buchhuls glei nebenbei;
Besser luhnt, als sinst Gruben,
Pusementiererei.“

In einem anderen Verschen kommt Annaberg aber schlechter weg:

„In Annaberg
Gihts Klippelwerk,
Woll’n se de Borte massen,
Hom se de Eel (Elle) vergassen.“

Scheibenberg muß sich folgenden Spott gefallen lassen:

„Scheibenbärg hot en Hiegel,
Där’n nischt eibringe tut.“

Dadurch werde ich aber Lügen gestraft. Hatte ich doch in einem der früheren Aufsätze: „Der Scheibenberg“ den Berg als einen „Schatz- und Futterkasten“ gepriesen, der den Stadtsäckel reichlich füllt.

Recht witzig ist folgendes Verschen:

„In Eimstock, do gibbt’s Läben,
In Kanngornstadt härt’s auf;
Aber Neistähdl tut sich heben,
Schniebärg is net neidsch drauf.“

Nicht so harmlos ist der Spottreim auf Geyer:

„Der Bergbau in Geyer ist weltbekannt,
Der liefert den besten Scheiersand.“

Ganz erträglich dagegen ist folgendes Liedchen:

„Schwarzenbärg is rumanisch,
Wulkensteen is es ooch;
Schlett‘ und Grienhahn is kumpanisch,
Elterlein hot e Loch.“

Die Wolkensteiner werden froh sein, daß man sie sob glimpflich behandelt. Aber sie werden bald ihre Stirne verziehen, wenn sie hören:

„In Wolkenstaa
Hom se kromme Baa,
Hom se gruße Nischeln,
Wie de Reisigbischeln.“

Ich bin doch schon so oft in Wolkenstein gewesen, habe aber nicht bemerkt, daß es hier so „gruße Nischeln“ geben soll, genau so wenig wie in Bärenstein, wo die Bewohner ebenfalls mit solch auffallenden Nischeln behaftet sein sollen. Vielleicht habe ich aber nicht genügend aufgepaßt. Die holden Mägdlein wenigstens hatten ganz hübsche Nischelchen. Dies kann ich bezeugen; denn diese habe ich – ich muß es gestehen – gar lange angeschaut. Wie’s mit den Alten steht, weiß ich nicht; denn da war mein Interesse nicht so stark.

In der Nähe Wolkensteins liegt das Dorf Drebach, allen wohl bekannt durch seine wunderschönen Krokuswiesen. Diese scheinen die Gemüter der lieben Nachbarn nicht milder gestimmt zu haben; denn die Drebacher müssen ebenfalls argen Spott erleiden:

„In Drahbach
Hom se Riss‘ im Dach,
Und zerbrochne Türn,
Müssen se ball drfriern.“

„De Drehbacher Mad sei nich su schie,
Se ham nier emol azezieh.
Zum Tanzen, zum Tanzen sei se gleich parat
Mit ihrem ganzen Kirchenstaat.“

Hier ist der Spott, man kann ruhig sagen, recht bitter und bösartig; denn man erinnert seine Landsleute im Nachbardorfe an ihre Armut. Und das sollte man doch lieber vermeiden. Vielleicht ist dieser Spott aber auch anders gemeint. Man wollte den Drebachern sagen, freilich auf eigene Art, sie möchten sich über ihre Nöte hinwegspotten und hinwegscherzen.

Die Spottreime ließen sich beliebig vermehren. Der Erzgebirger ist unerschöpflich darin. Man hat ihn deshalb wohl auch die Spottdrossel im deutschen Walde genannt.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 17 – Sonntag, den 25. April 1926, S. 4