Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 2 – Sonntag, den 10. Januar 1937, S. 1
Nun hat das neue Jahr seinen Lauf begonnen. Wieviel Wünsche hatten wir auf unserem Herzen, ob wir auch soviel Gebete auf den Lippen haben? Da seht unser Bild an: wie fein doch Brüderlein und Schwesterlein schon das Tischgebet sprechen können. Kannst Du’s auch so? In wievielen Familien wird das Tischgebet heute noch gesprochen? Daß wir unser täglich Brot alle Tage haben, betrachten wir wohl als eine Selbstverständlichkeit und unser ganzes Sinnen und Trachten ist auch darauf gerichtet, daß unser Tisch stets reichlich gedeckt ist. Aber nun kommt es doch noch darauf an, wie wir uns an diesen Tisch setzen. Ist’s immer voll Dankbarkeit gegen Gott, der uns alle Tage neu seine Gaben schenkt? Laßt uns sorgen, daß wir seiner Gaben auch wert sind! Dazu dient das Tischgebet, an das unser Bild heute erinnern möchte. Braucht sich keiner zu schämen, wenn er die wenigen Worte spricht: „Komm‘, Herr Jesu, sei unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast!” Oder wollen wir ihn nicht zu Gaste haben, den Herrn Jesu, meinen wir wirklich, daß wir das tägliche Brot uns selbst verdienen können. Verdienen ja, ich will Dir’s glauben, daß Du arbeiten kannst und Geld verdienen, aber ich kann Dir sagen, es hat Zeiten gegeben, da konntest Du für Geld und gute Worte kein Stückchen Brot bekommen. Wir brauchen nur an die Kriegszeiten und an die Zeiten der Teuerung zu denken. Damals zog ich durch ein armes steiniges Land über die Berge Albaniens. Wir hatten die Taschen voll Geld, denn wir hatten alle unsere Habseligkeiten verkauft, die wir auf den Rückzug nicht mit uns tragen konnten. Die Taschenwaren voll fremden und deutschen Geldes. Aber als wir durch die endlosen Berge und Steinwüsten zogen, fand sich nicht ein armseliger Maiskolben für uns, an dem wir unseren Hunger hätten stillen können. So steht es mit dem Geld, was wir verdienen können und können es doch nicht gebrauchen, wenn uns Gottvater nicht seinen Segen gibt und uns eben Zeiten schickt, in denen wir uns wieder an den gedeckten Tisch setzen können. Seht, welch eine Gnade das ist, wenn wir alle Tage unser tägliches Brot haben. Die Menschen vergessen es aber nur all zu leicht, daß es eben eine Gnade ist, von der wir leben. Sie meinen, das müßte immer so sein, daß wir unser täglich Brot haben. Ja, sie hadern schon, wenn gelegentlich diese und jene Speise fehlt, die wegen irgendwelcher gesunden wirtschaftlichen Maßnahmen jetzt einmal versagt wird. Da merken sie es gleich und fangen an zu meckern, so selbstverständlich ist es ihnen, daß sie alle ihre Wünsche in leiblicher Beziehung erfüllt bekommen. Wenn wir das „Vaterunser” sprechen, ist die Bitte um das tägliche Brot aber bei weitem noch nicht das Wichtigste, sonst stünde sie dort gewiß an allererster Stelle. Das sollte uns auch zu denken geben. Das tägliche Brot ist also noch nicht das Wichtigste, was wir zu unserem Leben brauchen, der Mensch macht es selbst nur zu seiner wichtigsten Aufgabe, dieses Brot zu beschaffen. Wir können ohne das Brot nicht leben. Können wir denn aber leben ohne die anderen Dinge, die Christus in seinem „Vaterunser” dieser Bitte noch vorangesetzt hat. Wie heißen doch die Bitten alle: Dein Reich komme. Dein Wille geschehe – eine ganze Predigt läßt sich zu jeder dieser Bitten sagen. Aber weil uns nun die Bitte um das tägliche Brot am nächsten liegt, wollen wir doch wenigstens hier erst einmal anfangen, zu bitten und zu beten. Dann ist doch erst mal der Anfang gemacht, mit seinem Vater im Himmel wieder in Verbindung zu treten. Ihn ums tägliche Brot zu bitten und ihm dafür zu danken, daß er es uns alle Tage in Gnaden gibt, ist doch wohl das Mindeste, was er von uns verlangen kann. Diese selbstverständliche Pflicht sollten wir wirklich nicht so vernachlässigen, denn es hängt von der Güte Gottes doch das Leben unseres ganzen Volkes ab. Was würde der Bauern Fleiß uns nützen, was würde es nützen, wenn wir um die Ernte schaffen Tag um Tag, wenn wir alle nur verfügbaren Kräfte einspannen würden, damit eben die Ernährung auch in diesem Jahre wieder sichergestellt wird, was würde das alles uns helfen, wenn Gottvater nicht Sonnenschein und Regen zu seiner Zeit gibt, auf daß Saat und Ernte auch reifen. An seinem Segen ist und bleibt doch alles gelegen und deshalb ist es auch ganz selbstverständlich, daß wir – wie unser Bild es lehrt bei Tisch die Hände falten. Das sei der Segen, der von unserem Bild heute ausgehe, daß wir wieder anfangen wollen, alle Tage unser Tischgebet zu sprechen: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast!”
S. Sdl.