Unserem 50jährigen Erzgebirgsdichter Anton Günther.

„Grüß dich Gott, o du mei Arzgeberch, grüß dich Gott, du grüner Wald!“

Wer hätte nicht schon auf lauschigen Waldwegen oder im trauten Verein eines Hutzenabends, von frischen Kinderlippen und gerührten Alten dieses unser Erzgebirgslied singen hören? Wir haben unserer Heimat lieb, vielleicht mehr wie mancher andere Deutsche die Gegend seiner Geburt, sagt man doch unseren Leuten eine besondere Heimattreue nach. Wir lauschen gern den Klängen unserer Muttersprache und lieben sie noch mehr, seit wir sie singen können. Und der sie singend gemacht hat, ist unser Gottesgaber Waldpoet Anton Günther.

Anton Günther geboren am 5. Juni 1876 in Gottesgab.

Ein Sohn des Volkes, vertraut mit seinen Freuden und Leiden; ein Miterleber des Alltags hat er in allen Stimmen der Volksseele gelauscht, mit klaren Augen seine Umgebung betrachtet, alles Gute – und wäre es noch so klein – liebgewonnen. Sein übervolles Herz goß er in schlichte naive Reime, zu denen sich wie von selbst eine Singeweise gesellte – und das Erzgebirge hatte seinen Sänger.

Mit einer harten, entbehrungsreichen Jugend begann er sein Dichterleben. Frau Sorge hatte im Vaterhause ihren ständigen Wohnsitz. Der Vater, ein Bergmann in Joachimsthal, zog, nachdem ihm der große Brand im Jahre 1873 auch das Letzte seines geringen Eigentums genommen, in die Heimat Gottesgab zurück. Der Toler-Hans (er kam ja aus Joachimsthal) hatte sehr zu kämpfen. Wenig Lohn als Sticker und Zeichner, dazu eine kopfreiche Kinderschar. Er aber verzagte nicht, besaß er doch die sprichwörtliche erzgebirgische Zufriedenheit in ganz besonderen Maße. Um sein Einkommen um wenige Kreuzer zu erhöhen, ging er wohl mit der Zugharmonika umher und spielte zu Tanz und Gesang auf. So empfing auch der Tonl seine erste musikalische Anregung. Trotz der Armut suchte Vater Günther seinen Kindern eine gute Ausbildung zu verschaffen und so kam der kleine Tonl nach Joachimsthal, wo er die Bürgerschule 3 Jahre lang mit bestem Erfolge besuchte. Als er vor der Berufswahl stand, entschied er sich für den eines Lithographen und ging nach Buchholz zum Lithographen Eduard Schmidt in die Lehre. Da er sich als anstellig, fleißig und willig erwies, erhielt er das vierte Lehrjahr geschenkt. Die Armut der Seinen zwang den Jüngling, bessere Verdienstmöglichkeiten zu suchen und so ging Günther als Gehilfe nach Prag. Hier in der Sehnsucht nach seiner erzgebirgischen Heimat, erwachte in ihm der Liederquell zur größten Begeisterung der Landsleute, die sich häufig trafen. Die Lieder verlangten direkt ihre Verbreitung. Günther kam auf den klugen Gedanken, sie in Form von Postkarten hinauszusenden. Die bunten Kärtchen, meist mit einer Zeichnung Günthers geschmückt, erzielten einen ungeahnten Erfolg. Eine Auflage nach der anderen erfolgte. In der Heimat vertrieb der alte Vater diese Erzeugnisse seines Sohnes und fand damit guten Verdienst. Der Tod des Vaters trieb unsern Anton in die Heimat zurück, wo er die Sorge für die Familie ganz übernahm. Als Lithograph, Dichter und fahrender Sänger hatte er allenthalben guten Erfolg, sodaß sein Mühen von bescheidenem Wohlstande gekrönt war. Heute ist er in ganz Deutschland und jenseits der Grenzpfähle bekannt. In allen Gestalten sind seine Lieder zu hören. Und steht der Dichter selbst mit der Laute in der Hand auf dem Podium, so umbraust ihn dankbarer Jubel. Wir Erzgebirgler haben alle Ursache, ihm dankbar zu sein. Nicht allein, daß er uns singen lehrte, nein, er hat auch den ganzen volkstümlichen und volkskundlichen Bestrebungen in unserem Lande einen Antrieb gegeben. Er versuchte auch mit seinen Liedeln dem Eindringen des wüsten Operettenschundes in unsere Gebirgstäler einen Damm entgegen zu setzen. Daß ihm in dieser Beziehung ein voller Erfolg versagt blieb, ist nicht die Schuld unseres Dichters. Und nun noch ein Wort über Anton Günthers Liedel selbst. Seine Leyer hat alle Töne, die ein Menschenherz bewegen können. Von der Wehmut des „Feierohmds“ bis zu stillen vergnügten Beschaulichkeit der „zwaa Finken“ und zum lachenden Humor der „Drackschenk“, von der Sehnsuchtsstimmung des „Vaterhauses“ über die Lebensphilosophie des „alten Hannelsmaa’s“ bis zum scherzhaften Treiben im „Hutzenlied“ – überall ist er wahr und echt. Dabei finden sich köstliche Naturbetrachtungen und ergötzliche Lebenswahrheiten in großer Menge. Es gibt kaum eine Stimmung im Menschenleben, der er nicht mit einem Liede Ausdruck verlieh.

50 Jahre! Noch steht er in voller Manneskraft vor uns! Mag ihn ein günstiges Geschick noch lange seiner Familie und seinen Volksgenossen erhalten, das walte Gott!

Max Wenzel.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 23 – Sonntag, den 6. Juni 1926, S. 1