Vom Leben und Wirken M. Christian Melzers.

Von Sudienrat A. Schuster, Annaberg.

Vor ungefähr zweihundert Jahren lebte in Buchholz ein greiser Pfarrer, der mit jugendlichem Eifer gleich einem unermüdlichen Bergmann in die Schächte der Vergangenheit unseres Gebirges hinabstieg und das geförderte edle Erz vor den staunenden Augen der Mit- und Nachwelt ausbreitete: es ist der Buchholzer Pfarrer und berühmte Chronist des Erzgebirges M. Christian Melzer.

Seine Schneeberger Chronik, die 1684 in erster und 1716 in erneuerter und bedeutend erweiterter Ausgabe erschien, ist heute noch die unentbehrliche und unschätzbare Fundgrube für die Geschichte unserer Heimat. Weniger bekannt ist seine historische Beschreibung des St. Catharinenberges in Buchholz (Historia montis D. Catharinae sub tegmine fagi). Dieses Werk ist nur handschriftlich im Original im Buchholzer Rathause und in Abschrift in der Lehrerbibliothek des Staatsrealgymnasiums vorhanden. Die Einsichtnahme in das Originalmanuskript Melzers wurde dem Verfasser von der Stadtverwaltung in Buchholz in freundlichster Weise gestattet, wofür auch an dieser Stelle insbesondere Herrn Verwaltungsoberinspektor Melzer der beste Dank ausgesprochen werden soll.

Als letztes und reifstes Werk des gelehrten Mannes verdient diese Chronik die größte Beachtung, denn sie enthält aus der Geschichte unserer engeren Heimat eine ungeheure Menge von geschichtlichem Stoff, die zudem noch nach dem gereiften Urteile eines welterfahrenen Mannes zusammengetragen ist. Denn der Geschichtsschreiber dieser Zeit will nicht rein objektiv sein; er läßt überall seine persönlichen Anschauungen zu Worte kommen. Somit ist das Werk dieses Buchholzer Chronisten menschlich und sachlich für uns sehr lehrreich, und es lohnt sich, das Leben und Wirken des gelehrten Mannes näher kennen zu lernen, so wie es sich aus seinen Werken erschließen läßt.

Christian Melzer (Meltzer nach der Schneeberger Chronik) ist am 25. Nov. 1655 in Wolkenstein [Köhler, Gesch. v. Catharinenberg, S. 24.] geboren, wo sein Vater, Georg M., Schneider und Bürger war. Nach dem Tode des Vaters [I. p. 277. 298] um 1701 zog die Mutter Melzers, Martha geb. Rehm, zu ihrem Sohne nach Buchholz, wo sie am 28.8.1711 starb und ihre Ruhestätte fand. Sie hatte 50 Jahre lang im Ehestand gelebt, war über 80 Jahre alt geworden und hatte noch kein graues Haar, aber die letzten 20 Jahre hatte sie das Augenlicht verloren.

Christian Melzer besuchte bis 1670 die Schule in Wolkenstein, wo ihn besonders ein Lehrer förderte Christophorus Seifart, poeta laureatus Caesaris („vom Kaiser mit dem Lorbeerkranz geschmückter Dichter“, ein Titel), Kantor und später Schulrektor in Wolkenstein. Er starb 1686 apoplexia (Schlag [II, 1686]), als er von unten hinaufgesehen und große Freude gehabt, daß das neue Orgelwerk aufgesetzt worden. „Ich gedenke dieses Mannes“, schreibt Melzer weiter, „ob er gleich in die Wolkensteinische Historie gehöret, doch allhier zu schuldigster Ehre, da sein Fleiß und seine ungemeine Dexteritaet (Geschicklichkeit) meinen Studiis in der Jugend gar sonderlich zustatten gekommen. Er war eine Creatur des gelehrten Rectoris Bohemi (Böhme) an der Stadtschule zu dresden, dahin er gekommen, als er aus seinem Vaterlande frauenstein, von dem Schusterschemel sich auf die Wanderschaft begeben hatte; und als er daselbst den Chor der Stadtschüler singen gehört bey gedachten Rector sich anzumelden sich erkühnet, auch sofort wegen seiner raren und gewissen Alt-Stimme sich selbsten zur Schule recomendirt hatte. Ich habe noch lateinische Briefe, die er poetisch stylo Ovidiano (nach ovidischer Art) an mich geschrieben.“

1670 ging Melzer nach Freiberg, wo er die höhere Schule besuchte. Auch hier findet er einen Lehrer, dessen er nach 46 Jahren in Dankbarkeit gedenkt. Er berichtet zum Jahre 1716 [II, 1716]:

„Den 18. Nov. starb in der Hauptbergstadt Freyberg mein ehemals gewesener theurer Gamaliel und Rector des Gymnasii daselbst, M. Andreas Beyer, letzlich Amtsprediger zu S. Nicolai und des Ministerii Senior (Aeltester der Geistlichen) aet. 80 an. (80 Jahre alt), welcher zu Waldkirch in gebirgischer Nachbarschafft und Gegend des Blaufarbwerkes Zschopenthal anno 1636 geboren, und für vielen wie ein Wunder zu achten gewesen, dieweil er aus einem Kühjungen auf dem Dorfe ein solcher gelehrter alter Mann und berühmter Philosophus, Philologus und Theologus geworden ist … Zu welchem Ruhme dieser Mann nicht gelanget sein würde, wo ihm nicht sein Unglück dazu und zum Besten gedienet. Denn als in dem damahligen Feinds Wesen die Mutter ihn im Tragkorb als ein Kind mitgenommen, da es an ein ausreißen gegangen, sie aber mit ihm gefallen, daß er durch solchen Fall ohne geschafften Rath und Hülfe einen gelähmten Fuß bekommen und sofort zur Ackers- und Bauersarbeit nicht geschickt und capabel (fähig) gewesen, hat er sodann die Schul gar langsam durch einen sonderlichen Trieb erwählet.“

Melzer widmet ihm noch ein Chronostichon:

QVJ peCVs egJt Jnops BeyerVs VZsVs VbJqVe est
ProdJgJVM LJngVJs artJbVs atqVe bonVs,

das er übersetzt:

„Mein Beyer hat gehütet erst die Küh‘
Eh‘ er studirt mit viel und großer Müh‘
Und da er Kunst und Sprachen wollen wissen,
Hat er sofort ein Wunder heißen müssen.“

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 11 – Sonntag, den 11. März 1928, S. 1 – 2.