Was anno 1632 an der Stelle, wo jetzt das Jöhstädter Landheim steht, geschehen ist.

Eines Abends ging ich in den Stall zu Herrn Nestler, der gerade mit dem Füttern der Kühe beschäftigt war. Nachdem wir uns über dieses und jenes unterhalten hatten, fragte ich ihn, ob er schon lange im Landheim wohne. Da sagte er mir, daß seine Vorfahren schon zur Zeit des dreißigjährigen Krieges in dem Brechhaus, das dort gestanden habe, wo jetzt das Landheim steht, gewohnt haben. Da bat ich ihn, mir einmal irgendeine Begebenheit, die er vielleicht von seinem Großvater oder Urgroßvater gehört hätte, zu erzählen. Und nun erzählte er mir folgende Geschichte:

„Es war im August des Jahres 1632, da war die Stadt Annaberg von den kaiserlichen Truppen, die unter General Holck standen, eingenommen worden. Aber auch das ganze Erzgebirge wurde von diesen kaiserlichen Mordbrennern arg mitgenommen. Vor allem aber war es einer, ein kaiserlicher Heerführer, der Obrist Buttler, du kennst ihn vielleicht als den späteren Mörder Wallensteins, der es mit Jöhstadt und Königswalde zu tun hatte, und davon will ich dir erzählen. —

Die Jöhstädter hatten dem Feind, der sich in Weipert niedergelassen hatte, gegen 60 Rinder abgenommen und auch einen Wagen voll Beute erobert, und dann hatten sie die Feinde schmachvoll in die Flucht geschlagen. – Als der Obrist Buttler hörte, was die Jöhstädter getan hatten, schickte er am 21. August 200 Soldaten aus, die Jöhstadt dem Erdboden gleich machen sollten. Diese Söldner zogen nun immer an der Konduppel entlang, denn alle Pässe waren mit gefällten Bäumen versperrt. Doch diese wilden Kriegsgesellen verfehlten infolge des Morgennebels den Weg und kamen anstatt nach Jöhstadt nach Königswalde. Sie meinten aber, wirklich Jöhstadt erreicht zu haben und brannten die Häuser nieder, erschlugen viele Leute, führten das Vieh weg und raubten alles, was ihnen unter die Hände kam. Endlich merkten diese vermaledeiten Bengel doch, daß sie einen falschen Ort geplündert und gebrandschatzt hatten, und zogen wieder ab.

Doch nun schickte der Obrist Buttler am 22. August in aller Frühe nochmals 300 Soldaten, welche auch wirklich auf der Straße, die von Annaberg kommt, auf Jöhstadt anrückten.

In der Nähe der „Alten Henne“, des Waldes, der um das Landheim liegt, am Brechhaus, begegneten sie einem Bäuerlein, das sie gefangen nahmen und ausfragten, wie stark Jöhstadt verteidigt sei. Das Bäuerlein aber sagte, sie sollten ja nicht nach Jöhstadt gehen, da man von ihrem Kommen wüßte; alle Männer seien stark bewaffnet, auch habe man starke Befestigungswerke errichtet; jedenfalls sei alles auf eine Verteidigung vorbereitet. In Wirklichkeit lagen die Jöhstädter noch im tiefsten Schlaf, und es wäre leicht gewesen, ganz Jöhstadt zu vernichten. Die Worte des Bäuerleins jagten den kaiserlichen Soldaten eine gewaltige Furcht ein, und die Feiglinge zogen wieder ab, ohne Jöhstadt ein Leid getan zu haben. Das Bäuerlein nahmen sie mit sich, um es im Lager noch weiter auszuforschen. Doch plötzlich war das Bäuerlein verschwunden, und kein Mensch hatte es je wieder gesehen.

Man erzählt, das Bäuerlein sei ein Engel gewesen, der in der Gestalt eines Bauern Jöhstadt so wunderbar gerettet hat.“

Ich bedankte mich bei Herrn Nestler und ging dann recht nachdenklich in mein schönes „Landheimbett“.

Karl Stückrath.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 13 – Sonntag, den 25. März 1928, S. 3