Winternacht auf dem Pöhlberg.

Es war eine seltsame, herrliche Winternacht. Am Monde jagten dunkel und schwer haftende Wolken vorbei, in tausend wechselnden Gestalten ballten sie sich zusammen und verwehten wieder, planlos, hier ein Fetzen und da einer: das wilde Heer stürmte durch die Luft, aber seltsam – kein Laut ertönte, kein Pfeifen, Kreischen des Windes, lautlos, gespenstisch huschten die phantastischen Gestalten einher.

Hörnerschlittenfahrt am Pöhlberg

Und der Wind kämpfte mit den Wolkenmassen. Mühsam war der Kampf und lange wechselnd. Auf der weißen Schneedecke zogen die Schatten dahin, dann leuchtete ein Lichter-Schein darüber, aber sogleich verschlang ihn das heranjagende Wolkendunkel wieder. Die hohen Fichten am Wege bergan standen ernst in langer Reihe und trugen mühsam die drückende Schneelast. Das huschende Mondlicht glitt über die Kronen hin, und die wehenden Nebelschwaden glichen in dem wechselnden Lichte Nachtelfen, die zu Berge zogen.

Lautlose Stille! Das Knirschen der Tritte im Schnee war das einzige Geräusch, aber es erstarb bald in der dunklen schweigenden Weite. Am Steinbruche droben am Bergabhange schweifte der Blick ringsum. Das Mondlicht drang gedämpft durch den schon dünner werdenden Wolkenschleier – in mattem Scheine leuchteten die schneebedeckten Höhen. Drunten lag die alte Bergstadt Annaberg, wie schutzsuchend vor Schnee und Wind sich an den Berghang schmiegend. Die weißen Dächer drängten sich um die hoch aufragende Kirche; über dem Markte lag ein roter Schein, hie und da glänzte ein Licht – aber das flutende Mondlicht dämpfte jeden Strahl.

Der Weg ging steiler bergan. Die Fichten drängten sich von beiden Seiten hart an ihn heran, ihre Aeste hingen schwer von Schnee hernieder. Auf der Lichtung waren die kleinen Bäume ganz im Schnee versunken; dort ragte ein größerer auf, von schnee überschüttet, er glich einem Fabeltier, das drohend am Wege lauert. Hier leuchtete ein Strauch im Mondlicht; scharf hoben sich die rauhreifumsponnenen Zweige vom dunklen Waldhintergrunde ab – prächtig! wie weiße, starke Lichtgarben schoß es empor! Und wie der Mond leuchtete! Die Wolken waren weggeweht, rein und strahlend spannte sich das Firmament droben, vom Mondeslicht durchflutet, und alles Licht, alles Glänzen ging aus von der silbern leuchtenden Kugel, die in majestätischer Ruhe hoch oben schwebte. Bergeinsamkeit! Die Höhen des Gebirges grüßten aus dunkler Wälder Kranz herüber wie Könige in weißem Haar und Bart, und schwarze Mäntel hingen um ihre Schultern. Nach dem tiefen Talgrunde öffnete sich eine Lichtung. Die Lichter des Dorfes glänzten herauf, es lag wie versunken in all dem Schnee, wie erdrückt von der großen Stille der Winternacht.

Dunkle Gestalten stiegen drüben den Fußsteig empor. Sie trugen Laternen, ihr rotes Licht hob sich seltsam von dem silbernen Mondesglanze auf dem Schnee ab, an den Bäumen entlang huschte flackernd roter Schein. Jetzt hatte der Wald die Lichter verschlungen. Eine Erinnerung aus ferner Kinderzeit zuckte auf: Ein Kirchlein im Schnee, schwarzer Wald dicht daran, den Kirchsteig entlang wandernde Leute mit Lichtern am frühen Christmorgen zur Mette.

Uralte Klänge wachten in der Seele auf, die herauftönen aus unseres Volkes Vorzeit, als noch der Wode dem wilden Heer in der Windnacht voranstürmte und Holda die weiße Decke über das Land breitete. – In schweigender Mondespracht liegen Berge und Wälder, ruhevoll, wie damals und immer. Wir vergehen, aber sie bleiben.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 8 – Sonntag, den 20. Februar 1927, S. 1