Von L. Bartsch.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 22. Juli 1928, S. 2 – 3
2. Ein amtlicher Bericht v. J. 1528. *)
In der Woche vor Judika 1528 weilte Matthias Busch, der alte, d. h. der frühere Bergvogt zu Buchholz, am kurfürstlichen Hofe zu Altenburg. Ohne Zweifel hatte er sich dahin begeben, um den Kurfürsten Johann den Beständigen zu bestimmen, daß Amt Schlettau in unmittelbaren Besitz zu nehmen, wie er in früheren Jahre bereits wiederholt den Landesherren gegenüber getan hatte, und zwar unter Hervorhebung, daß in dem Amte Schlettau der Bergbau ganz anders aufblühen, daß das Städtlein Schlettau zu einer volkreichen Stadt sich entwickeln werde, daß weitere Orte im Amt Schlettau entstehen würden, und der unmittelbare landesherrliche Besitz des Amtes dem 1501 gegründeten Buchholz in reichem Maße zugute kommen werde.
Johann der Beständige trat diesmal dem Gedanken näher und befahl Busch, im Verein mit dem Altenburger Geleitsmann Bernhard Walde sich förderlich nach „Gronenhain“ zu dem Abte zu begeben, ihm des Kurfürsten-„Credentz“ zu überantworten und unter Beirat des Abtes einen „klaren, deutlichen Bericht“ abzufassen, „was das Ambt die Schlette jährliches Einkommen und Nutzungen habe, und wie es sonst allenthalben darum gelegen.“
Montag nach Judika (30.3.) brachen die Beauftragten auf und ritten zum Abt. In der ihm eigenen raschen, energischen Weise vermochte Busch am Mittwoch bereits den Bericht abzufassen, wofür der Abt, soweit es ihm möglich war, bereitwillig Unterlagen erteilte. Von dem Schlettauer Pfarrer und dem Amtmann zu Schlettau, die neben dem Abt zu befragen sich als notwendig herausstellte, ließen sich die gewünschten Auskünfte leider nicht erlangen; der erstere, es war der letzte katholische Pfarrer Valentin Barthel, dessen Verwandtschaft in Annaberg saß, war verreist, und der Amtmann vermochte nur „nach Wahn“ Angaben zu machen, da er „nicht Rechnung und Verzeichnis gehalten“, also nicht Buch geführt hatte.
Donnerstag weilten Walde und Busch am Bärenstein, den Wert der Waldungen daselbst festzustellen — es lag tiefer Schnee, so daß die Besichtigung teilweise zu Fuß statt zu Roß vorgenommen werden mußte. Tags darauf ritt der Geleitsmann Walde mit dem geforderten Bericht und einem von Buschs federgewandter Hand niedergeschriebenen Begleitschreiben aus Buchholz nach Altenburg zurück.
Bericht und Begleitschreiben sind uns in Urschrift erhalten. Ersterer trägt die Aufschrift: „Nachfolgende Verzeichnis hat Johannes, Abt zum Gronhayn, unsern gnädigsten Herrn dem Kurfürsten zu Sachsen etc. untertäniglich zugeschafft, was des Einkommens, Nutzung und Gerechtigkeit das „Ambt Schlette“ hat. Mittwoch nach Judica 1528.“
Es lohnt, auf das bisher nicht veröffentlichte Aktenstück näher einzugehen, da es für die Geschichte des Amtes Schlettau ohne Zweifel beachtlichen Wert besitzt und letzteres nicht bloß deshalb, weil es Einblicke mannigfacher Art in die Verhältnisse von Land und Leuten des Amtes vor vier Jahrhunderten gestattet, sondern auch deshalb, weil diese Verhältnisse nachweislich teilweise weit in das 15. Jahrhundert, ja in das 14. Jahrhundert zurückreichen.
Stark hervortreten läßt der Bericht zunächst das Schloß, den alten Herrensitz des Amtes, und wie die Aufschrift des Berichtes andeutet, die Machtbefugnisse, die sich in der Hand des Schloßherrn vereinigen: in deutlichem Lichte zeigt er uns sodann das Abhängigkeitsverhältnis der Ortschaften des Amtes dem Schloß gegenüber, die einst unter Anlehnung an die alte Feste wohl sämtliche entstanden sind und unter ihrem Schutz gediehen.
Hören wir, was uns der Bericht von 1528 im einzelnen mitteilt!
Das Schloß ist nicht vom Gebieter des Amtes bewohnt, — Herr ist ja der Abt drüben im Kloster Grünhain! — sondern der Amtmann hat darin seinen Sitz, der Amtmann, der zugleich das Amt eines Hofmeisters mit versieht und eine wichtige Rolle im Amte spielt.
Ein umfänglicher Bau war die alte Feste nie gewesen, an deren Stelle jetzt das Schloß steht; umfänglich ist auch zur Zeit des Berichtes das Schloß nicht, aber immerhin ansehnlich und sowohl was die Befestigung, als was die Wohn- und Wirtschaftsgebäude anbelangt, in gutem Stande. Hätte die Anwendung des Pulvers die Kriegsführung nicht völlig umgestaltet, es würde wohl noch im Stande sein, Schutz und Schirm im Kriege zu gewähren. Der Bericht sagt: „In der Schletten ist ein Schloß, nicht groß, aber ziemlich (d. h. wie es sich gehört) wohl gebauet; es besitzt einen „guten Thorm“, auch dazu ziemlich Vorgebäude, mit einem Viehhause, Stallungen, Scheunen“. — Der das Schloß sichernde, mit Wasser gefüllte Graben fehlt beim Schlosse nicht.
Der in der Nähe des Schlosses liegende, zum Schloß gehörige und dessen Bedarf an Holz deckende Besitz an Gehölz und Wald erscheint unbedeutend; viel ist das der Stadt Schlettau überlassen worden. „Das Stockholz gehört zum Schlosse, desgl. das Holz zur „hohen Thanne“, „seint nicht groß“, lesen wir. Um so umfänglicher sind die zum Schlosse gehörigen Aecker und Wiesen. Nicht nach einem Flächenmaße wird ihre Größe angegeben, sondern die Wiesen nach dem durchschnittlichen Jahresertrag an „Hau“, die Aecker nach der für die Aussaat erforderliche Menge Getreides. 80 Fronfuder Heu bringen die Wiesen „zu gemeinen Jahren“, und 80 Scheffel „schletner maes“ an Weizen, Korn und Hafer befarf man an Saatgut. Beachtlich ist dabei, daß des Weizens als Feldfrucht gedacht wird und daß Schlettau sein eigenes Hohlmaß besitzt.
Bei den Machtbefugnissen, die von der Abtei ausgeübt werden, handelt es sich um die gleichen Rechte, die von altersher der Herrschaft zustanden, um Fischfang und Jagd, um Gerichtshoheit, um Bergregal, um Heranziehung der Amtsuntertanen zu Diensten und Abgaben. Manches ist abgebröckelt und befindet sich in dem Zustande weiteren Abbröckelns; manches hat nach außen hin ein anderes Gesicht angenommen.
Die Fischnutzung in den fließenden Gewässern hatte sich verringert. Bei Zschopau und Rosenbach, bei Sehma und Lampertsbach und bei der Pöhla war an einzelne wie an Gemeinden gegen Zins — z. T. erblich — die Fischnutzung überlassen worden. Am schlimmsten aber erwies sich der Schaden, der durch die lebhafte Holzflößerei angerichtet ward. So verstehen wir es, wenn Walde und Busch berichten: „Der Bach, die „tschape“ genannt, gehört dem Schlosse frei zu fischen von der „behmischen Brücken“ an der Dörfer (Walthersdorfer) Gemeinde. Sunst sein noch 2 Bäche im „kranczagel“ und unter dem Bärenstein, „werden mit dem flossen vorterbt“. An stehenden Gewässern gehören dem Schlosse „vier Teichlein“ zu eigen mitsamt den Gräben. Einer davon, der „tiffteich“, wird mit 4 Schock, die übrigen 3 Teiche mit je 2 Schock Karpfen besetzt, der Schloßgraben mit 3 Schock. 1528 waren alle neu besetzt.
Unumschränkt ausgeübt wurde auch das Hoheitsrecht der Jagd nicht mehr. Nur die hohe Wildbahn hatte das Stift fest in der Hand behalten. Die nieder Jagd, vor allem die Hasenjagd, doch zählte zur niederen Jagd nicht minder die Jagd auf Füchse, Rehe, auf „Hühner und Vögel“, „wird den Richtern in Dörfern mit vergunnt“, schreibt der Bericht an den Kurfürsten. Urkundlich ist uns bezeugt, daß die niedere Jagd auf ihnen verliehenem Gebiete des Amtes auch anderen eingeräumt war.
Als Gerichtsherr galt 1528 der Abt in allen Orten des Amtes. Die obere Gerichtsbarkeit wurde durch den Amtmann ausgeübt; an der niederen Rechtspflege, bei welcher es sich um Schlagen, Raufen, Messerzüge, Kandelwürfe u. dergl. handelte, hatten die Dorfrichter Anteil. 1533 erst, als der Abt sah, daß es „mit der Möncherei zu Boden gehe“, überließ er seiner Vaterstadt Schlettau die niedere Gerichtsbarkeit, in deren Besitz Schlettau achtzig Jahre früher sich bereits befunden hatte. — An der Spitze des Polizeiwesens im Amte sehen wir wieder den Amtmann stehen.
Bezüglich des Bergregals finden wir den Abt den Edelleuten gleichgestellt. Gold- und Silberbergbau, betont der Bericht, steht dem Kurfürsten zu. Zinnbergbau und der Bergbau auf Eisen und Kupfer gebührt dem Amt. Es ist ein Irrtum, wenn ältere Schriftsteller behaupten, die Abtei habe keine Befugnis besessen, innerhalb des Amtes den Zinnbergbau zu verleihen.
*) Beitrag I siehe Obererzgebirgische Zeitung 1927, Nr. 164a, Beilage 3