Von L. Bartsch.
(Fortsetzung.)
Sich anreihend an die Frondienste, die Nutzungen und das Einkommen aus dem Amte steigernd, aber zugleich auch die Lasten der Untertanen mehrend, lernen wir ferner die teils in Naturalien, teils in barem Gelde zu entrichtenden Erbzinse kennen. Beide wurzeln in der gleichen Rechtsanschauung: die Herrschaft gilt als Besitzer des Grundes und Bodens; diejenigen, denen Teile der Flur zur Nutzung überlassen werden, haben dafür als Entschädigung zu zinsen und zu fronden, haben Erbzins zu reichen, wenn die Überlassung des Flurstückes eine erbliche ist.
Bei dem in Naturalien zu entrichtenden Erbzins handelt es sich um Zinshafer und Zinshühner, um Eier, um Käse, um „Mahn“ (Mohn) und Flachs. Maßeinheiten bilden für den Hafer der Scheffel, beim Mohn das „Sip- oder Siebmaß“ (¼ Scheffel) und der „Napf“, bei Flachs das „puschel“ (Büschel), bei Hühnern, Eiern und Käse das Stück bez. das Schock. Als Zinstermin gilt für die Eier durchweg der Grüne Donnerstag, für den Hafer Lätare der drittletzte Sonntag vor Ostern; Käse — Käsebrot bildete damals, wie heutigen Tages das Butterbrot, die tägliche Nahrung des gemeinen Mannes im Erzgebirge —, Hühner, Flachs und Mohn waren zu Martini (11. November) der Schloßherrschaft zu reichen. Die Einsammlung und Überführung an den Hof hatte durch die Richter der einzelnen Ortschaften zu erfolgen.
Nicht von dem Erbzins an Geld, wohl aber von Naturalabgaben sehen wir Schlettau frei.
Es haben an Naturalien zu zinsen Walthersdorf: 19 Hühner, 19 Käse, 20 Scheffel Hafer, 18 „puschel“ Flachs, 19 „Nep“ (Näpfe) Mohn, 1 Schock 28 Stück Eier, Sehma: 23 Hühner, 23 „keße“, 15 Scheffel Hafer, 24 Büschel Flachs, 24 „Nep Mahen“, 2 ßo 2 St. Eier, Königswalde: 21 Hühner, 19 Käse, 20 Schfl. Hafer, 21 Büschel Flachs, 1 Siebmaß Mohn, 6 ßo 6 St. Eier, Cunersdorf: 16 Hühner, 6 Käse, 5 Schfl. Hafer, 17 Büschel Flachs, 17 Näpfe Mohn, 1 ßo „Eyher“, Kranczagel: 10 Hühner, 10 Käse, 10 Büschel Flachs, 10 Näpfe Mohn, 44 Eier; Zinshafer wird bei Cranzahl nicht erwähnt.
Den Geldwert veranschlagt der Bericht für die 89 Zinshühner, jedes Huhn zu 1 Groschen, auf 1 Schock 29 gr., für 78 Käse, das St. gleichfalls zu 1 gr., auf 1 ßo 18 gr., für den Mohn — 1 Sibmas und 70 Nep ca. 1 Schfl. — auf 31 gr., die 10 ßo 56 Eier auf 22 gr. und für 60 Scheffel Zinshafer, der Scheffel 6 gr., auf 6 ßo. Bei Abschätzung des Flachses legten der Altenburger Geleitsmann und Busch den thüringischen Flachspreis zu Grunde, da die Bauern „von keinem Anschlage des Geldes wissen wollten.“ „Im Land zu Doringen bezahlt mans vmb ein alden pfennigk“, lassen sich die Berichterstatter vernehmen, und so setzen sie den Wert der 89 „puschel“ auf „ungefährlich“ 10 gr. an.
Bezüglich des Erbzinses in barem Gelde, fällig Michaelis und Walpurgis (1. Mai), unterscheidet der Bericht zwischen solchem, der zu zahlen ist für vor alters in Gebrauch genommenen Grund und Boden und zwischen solchem von „neuen Räumen“, die erst infolge des zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts um Annaberg und Buchholz aufblühenden Silberbergbaues dem Walde abgewonnen und kultiviert, d. h. in Wiesen und Felder verwandelt, teilweise auch mit Gebäuden, mit Wohnhäusern nebst Wirtschaftsgebäuden, auch mit Mühlen, bebaut worden sind, auf denen indes auch aufs neue Wald gehegt werden darf. Beliehen sind mit solchen neuen Räumen vor allem Bürger aus Annaberg und Buchholz, daneben Einwohner der Amtsdörfer. Selbstverständlich ist die Zahl dieser neuen Räume bei den einzelnen Ortschaften nicht die gleiche. Keinen neuen Raum erwähnt der amtliche Bericht bei Schlettau, einen nur bei Walthersdorf, 2 bei Königswalde, je 8 dagegen bei Sehma und Cunersdorf; besonders reich ist ihre Zahl in Cranzahl, das uns in dem Berichte als Nieder- und Obercranzahl entgegentritt, ersteres mit Bärenstein und Habichtsberg, letzteres mit Wolfsstein und Bärenstein. Bei dem Ortsteile Niedercranzahl vernehmen wir von 16 „neuen Räumen“; 11 gehörig zum Dorfe selbst, einer liegt am Habichtsberg, 4 am Bärenstein; bei Obercranzahl kommen sogar 18 Räume in Betracht, 15 am Bärenstein, 1 am Wolfsstein, 2 bei Orte selbst. Den bedeutendsten „Zuwachs“ hatte mithin Cranzahl erfahren. Beachtlich erscheint, daß der von den neuen Räumen zu entrichtende Erbzins an Geld die Leistungen von Frondiensten und die Abgabe an Naturalien mit vertritt. In Cranzahl werden neben den Altsassen und den Besitzern neuer Räume übrigens noch 5 Zinsende, 3 in Nieder-, 2 in Obercranzahl, aufgeführt, deren Belehnung in die Zwischenzeit der Hauptbesiedlungen zu fallen scheint; einem von diesen ist 1 Tag Fron neben dem Erbzins auferlegt. — Unter dem Zins für neue Räume finden wir ein paarmal Nutzungen für Bäche angegeben.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 33 – Sonntag, den 12. August 1928, S. 1 – 2.