Zwischen Schlettau und Walthersdorf im Jahre 1863.

Dort, wo heute die weit bekannte Sturmlaternen-Fabrik Hänel steht, befand sich, wie unser Bild zeigt, vor mehr als 60 Jahren eine große Flachsbrecherei und -Bleiche, die – gewissermaßen ein Ergänzungswerk zum alten Schlettauer Schloß darstellt – in dem, wie wir in Nr. 24 unserer „Erzgebirgischen Heimatblätter“ berichteten, um das 18. Jahrhundert herum ein großer Spinnereibetrieb eingerichtet war. In unserem Artikel „Schlettaus Schloß im Spiegel der Geschichte des 18. Jahrhunderts“ haben wir dieses Gebäude am Fuße des Scheibenbergs bereits mit erwähnt und können wir heute unseren Lesern die alte Flachsbleiche der Firma Lohse in einem hochinteressanten alten Bilde wiedergeben. Friedrich Gotthelf Tragott Lohse baute dieses Flachsbereitungsgebäude mit Gewölben, Trockenraum und Radstuben- sowie Holzschuppengebäude im Jahre 1863 als sein Eigentum. Lohse war bekanntlich zusammen mit Naumann Inhaber der Schloßspinnerei in Schlettau. Diese Flachsbreche aber war sein Privatbesitz und der Betrieb ging seiner Zeit sehr flott und schaffte viel Arbeitsmöglichkeiten. Die Schloßspinnerei wurde allmählich aber doch immer selbständiger, sodaß Lohse die Flachsbreche zwischen Schlettau und Walthersdorf eingehen ließ. Der Besitzer errichtete in den Gebäuden dann eine Soutache- und später eine Pappenfabrik. Zu diesem Zwecke wurde von Ferdinand Lohse noch ein Wohn- und Trockenhaus erbaut. Von Lohse erwarb Kaufmann Max Wenzel die Fabrik, welcher sie wiederum bei seinem Wegzug nach Böhmen im Jahre 1879 an Albin Peuschel aus Raschau verkaufte. Das Anwesen erfuhr dann fortgesetzt Erweiterungen, stellte 1914 die Firma Sächs. Chromo-, Karton- und Buntpapierwerke dar und ging zuletzt in die Firma Max Hänel über, die bekanntlich den Betrieb in eine Sturmlaternenfabrik umstellte. – Heute stehen an derselben Stelle die unser Bild zeigt, große stattliche Bauwerke, die Zeugnis ablegen von der industriellen Entwicklung während des letzten Halbjahrhunderts. Wenn wir aber mit der Beschaulichkeit der beiden rastenden Wanderer, die unser Bild im Vordergrund zeigt, das Gelände besichtigen, so hat sich doch landschaftlich nur sehr wenig verändert. Der alte Scheibenberg grüßt noch immer mit seinem tannengrünen Mantel herab in das friedliche Tal. Ein stummer Zeuge ist er von dem Geschehenen all der verflossenen Jahre. Geschlechter sah er kommen und gehen, Aufstieg und Niedergang erlebte er und sah schon damals das hart um sein Dasein kämpfende Völklein im Erzgebirge, dem Gott der Herr im Wechsel der Zeiten wieder Arbeit, Friede und Brot bescheren möge und dazu ein Herz voll Liebe zu Volk und Heimat, wie sie den Menschen von damals inne gewohnt haben mag. Dazu „Glückauf!“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 38 – Sonntag, den 19. September 1926, S. 1